Cibiana - ein Dorf erfindet sich neu!

Wir fahren vom Zoldotal nach Cibiana, einem kleinen Bergdorf, das an den Abhängen des schmalen Rite-Flusstales liegt. Darüber trohnt der Monte Rite auf dem sich das Messner Mountain Museum befindet. Cibiana und die dazugehörigen Ortsteile Pianezze und Masarie' bilden zusammen ein ursprüngliches Dorf mit engen und stillen Gassen. Die architektonische Bausubstanz stammt teilweise aus dem 16. Jahrhundert. Ein Dorf also wie aus dem Bilderbuch. Und Bilder sind eine weitere Charakteristik von Cibiana.
Cibiana mit seinen Häusern aus dem 16. Jahrhundert
Weltweit bekannt ist Cibiana nämlich wegen seiner Murales, den Wandmalereien, die die Wände der Häuser zieren und dabei die Geschichte des Dorfes erzählen - Impressionen über das Leben des Schmieds, des Müllers, des Maiers... Bereits seit Anfang der `80er Jahre gibt es diese künstlerische Initiative, in der berühmte internationale Künstler in mehr als 50 Wandmalereien nicht nur folkloristische und touristische Aspekte aufgreifen, sondern in einer Symbiose Kunst und dörfliche Architektur vereinen.
Auch aus der Welt des Sports ist Cibiana bekannt: Von hier stammen der Skispringer Nilo Zandanel oder Nevio De Zordo, der sich in den 60er und 70er Jahren als Bobfahrer seine Verdienste erworben hat. Im Winter gibt es eine Skilanglaufpiste, die sich über eine Länge von 4 km erstreckt und nachts beleuchtet ist. Man kann in Cibiana Tennis spielen oder in der neuen Boulderhalle das Klettern üben.
Für seine Murales ist Cibiana weltberühmt
Doch von diesen Geschichten möchte ich nicht so viel erzählen, da sie schon in vielen Reiseführern zu finden sind. Mich interessieren mehr die Bewohner und wie sie es schaffen, das Gemeinwesen in einem Ort zu reanimieren, der sich schon allein wegen seiner Abgelegenheit besonderen Herausforderungen zu stellen hat. Das einzige Hotel im Dorf ist schon seit Jahren geschlossen und viele Häuser stehen leer, da ihre Besitzer seit Langem das Dorf verlassen haben, um z.B. als Eismacher in Deutschland ihr Glück zu finden.
Ich komme also mit meiner Freundin Renate in Cibiana an und wir besuchen Mara in ihrer Bar. Mara betreibt ihre Bar schon seit fast 40 Jahren und kennt alle Geschichten des Dorfes. Viele Künstler der Murales haben ihr ein Bild geschenkt und so hängt in ihrer Bar eine Bildergalerie, an der sich die Wertschätzung für diesen besonderen Ort des Zusammentreffens ablesen lässt.
Mara und ihre Bar in Cibiana
Bevor wir bei Mara einen Kaffee bestellen können, schickt sie uns noch schnell ins Museo del ferro e della chiave - das Eisen- und Schlüsselmuseum in Cibiana. Sie sagt, dass wir es unbedingt besuchen müssen, bevor es seine Pforten schließt und so beeilen wir uns, das Museum im unteren Teil des Dorfes zu erreichen. In Cibiana gab es bis ins 19. Jahrhundert noch eine Eisenmine und zu jener Zeit war hier das Zentrum der Schlüsselproduktion. Noch heute gibt es in Cibiana die Schlüsselfabrik ErrBi, in der 40 Beschäftigte ein Volumen von 2000 Schlüsseln pro Tag produzieren.
Marco ist die Seele des Eisen- und Schlüsselmuseums
Das Museum wurde von den Dorfbewohnern Cibianas selbst mit viel Liebe zum Detail eingerichtet - vielleicht ein Versuch dem eigenen Verschwinden etwas entgegen zu setzen - Cibiana hat immerhin in den letzten Jahrzehnten zwei Drittel seiner Einwohner eingebüßt. Wir sind die einzigen Besucher und treffen dort auf Marco, der uns herumführt - und mir scheint, dass er hier im Museum auch wirklich seinen Platz in der Dorfgemeinschaft gefunden hat. Zum Abschied schenkt mir Marco noch einen Flyer über die Murales von Cibiana.
Ein paar Tage später komme ich noch einmal nach Cibiana. Dieses Mal um die junge Bürgermeisterin Luciana Furlanis zu besuchen, die mit dem Dorf noch so einige interessante Projekte geplant hat.
Luciana Furlanis - die Bürgermeisterin von Cibiana
Luciana stammt eigentlich aus Caorle, das am Meer oberhalb von Venedig liegt und ist der Liebe wegen nach Cibiana in die Berge gezogen - ihre Partnerin kannte Cibiana schon aus Kindertagen, weil ihre Familie dort ein Ferienhaus besaß. Ich fragte Lucianas Freundin, warum sie schließlich ganz nach Cibiana gezogen sei - und sie antwortet mit der Gegenfrage und ohne lange zu überlegen, warum solle sie nicht an den Ort ziehen, wo sie immer glücklich gewesen sei. Und so folgte Luciana ihrer Freundin und sie bezogen das Haus der Familie. Luciana erzählt mir, dass es anfangs für sie nicht einfach war, da sie an ein Leben mit vielen Menschen und einer großen Familie gewöhnt war und erst einmal mit den eher ruhigen Verhältnissen in Cibiana klarkommen musste. Sie nimmt einen Job in der Bar an und kennt nach kurzer Zeit alle Einwohner - kommt mit ihnen ins Gespräch und dabei entstehen Pläne für das Dorf, an dem zu dieser Zeit keiner mehr so richtig teilhaben wollte. Selbst das Bürgermeisteramt war nicht besetzt und die Belange des Dorfes wurden mehr oder weniger gut auf kommissarischer Ebene behandelt. Für Luciana war klar, dass es so nicht mehr weitergehen könne, sie kandidiert - noch ohne jegliche Erfahrung - für das Bürgermeisteramt, gewinnt den Posten und fängt an Cibianas Geschicke zu lenken. Anfangs geht es ihr vor allem darum, dass die Menschen wieder Verantwortung für ihr Eigentum übernehmen und damit aufhören, ihre Häuser, Gärten und Wiesen nicht einfach nur sich selbst zu überlassen. Kein leichtes Unterfangen - zu Mal sich einige Hausbesitzer kaum noch ermitteln lassen, da sie schon jahrzehntelang nicht mehr nach Cibiana gekommen sind um nach dem Rechten zu sehen.
Ein weiteres Projekt ist es, die leerstehenden Wohnungen von Cibiana in ein Albergo Diffuso zu verwandeln. Schon jetzt gibt es in Cibiana eine Rezeption, in der ca. 30 Ferienappartements angeboten werden - für temporäre Bewohner, die dem alten Dorf wieder neues Leben einhauchen können.
Gemüse, Heilpflanzen, Marmelade und Work & Travel aus Cibiana
Zur gleichen Zeit hat Luciana die Idee einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cibiana zu gründen - sie möchte Gemüse, Heilpflanzen und Marmeladen produzieren. Im Dorf baut sie für dieses Projekt gerade ein altes leerstehendes Haus für ihre Geschäftsräume aus - und da Landwirtschaft in den Bergen sehr arbeitsintensiv ist, richtet sie für künftige ehrenamtliche Helfer im Obergeschoss des Hauses gleich eine Unterkunft ein. Ich bin mir sicher, dass sich bald einige junge Menschen über diese Work & Travel Angebot in Cibiana freuen werden - Zumal es mich an meine eigene Geschichte erinnert, wie ich Italien in jungen Jahren auf diese Weise für mich entdeckt habe.


mehr Infos

Cibiana in Google Maps und noch mehr Fotos zu meiner Geschichte


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