Marta und das liebe Vieh auf der Pian di Levina

Auf meiner letzten Reise ins Cadore habe ich Marta Zampieri auf ihrem Bauernhof Pian de Levina besucht. Ich nahm die Landstraße 347 von Forno di Zoldo über Fornesighe in Richtung Cibiana - und unter dem "Spitz de San Piero" in Cornigian liegen die Wiesen von Marta, die von Kühen, Schafen und Ziegen beweidet werden. Das ist keine Selbstverständlichkeit in diesem Teil der Dolomiten, denn die Landwirtschaft wurde zu Gunsten einer florierenden Brillenindustrie einige Jahrzehnte lang stark vernachlässigt, so dass sich die Tannenwälder auf Kosten des Weidelandes bis tief in die Täler ausbreiten konnten. Erst seit wenigen Jahren, nachdem die Industrie sich andere Produktionsstätten suchte, findet ein langsames Umdenken statt und es macht Spaß, diese Veränderungen bei den Bewohnern dieser Region wahrzunehmen und z.B. ihren neuen selbstgemachten Käse zu probieren.
Marta begrüßt ihren Esel auf der Malga Pian de Levina"
Es sind gerade die Geschichten des Neuanfangs, die mich interessieren, denn anders als in den traditionellen landwirtschaftlichen Gegenden wie wir sie vielleicht aus Deutschland oder Österreich kennen, wird hier die Landwirtschaft ohne eines Jahrhunderte alten Erfahrungsschatzes meist von jungen Menschen neu entdeckt - Menschen die vorher in anderen - oft akademischen Berufen tätig waren und die erst mit dem Bedürfnis nach einem naturnahen Lebensentwurf in die Berge gezogen sind. So auch Marta. Im Jahre 2005 beschließt die damals 40 jährige hydraulische Ingenieurin das flache Land bei Treviso gegen die Bellunesischen Berge einzutauschen und gründete - zuerst nebenberuflich einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb mit neun Ziegen, Hühnern und einem kleinen Garten ganz in der Nähe ihres jetzigen Bauernhofes. Im Laufe der Zeit reduzierte sich ihre Arbeit als Ingenieurin, während sich der landwirtschaftliche Betrieb stetig vergrößerte. Neben Käse, Eiern und Gemüse haben es ihr vor allen Dingen ihre Kaschmirziegen angetan und so suchte und fand sie Frauen aus der Umgebung, die ihre Wolle unter dem Label Kornigan Cashmere zu warmen Schals verarbeiteten. Doch irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem sich Marta entscheiden musste - Ingenieurin zu bleiben oder sich voll und ganz in die Landwirtschaft zu stürzen. Im Jahre 2013 bewarb sie sich auf eine Aufschreibung für den Bauernhof Pian de Levina und gewann.
Marta zeigt mir ihre Ziegenherde
Da auf der Malga Pian de Levina seit je her Käse produziert wurde, vergrößerte Marta ihren Tierbestand auf 40 Milchkühe und etliche Ziegen. In der Toskana lernte sie, wie man Käse herstellt und es ging los. Mittlerweile ist sie im dritten Jahr hier. Ihren Käse vertreibt sie nur in ihrem Restaurant und einem Lebensmittelgeschäft in ihrer ehemaligen Heimatstadt Treviso. Sie sagt, dass der Bedarf gerade in diesem Jahr größer war als das, was sie auf ihren Weiden produzieren könne, weil es nicht möglich sei, die Herden zu vergrößern - eine unternehmerische Herausforderung, zumal ihr Pachtvertag - wie in Italien für landwirtschaftliche Nutzflächen üblich - nur für 18 Jahre angelegt sei und in dieser Zeit sich sämtliche Investitionen für den Stall und die Käseproduktion amortisieren müssen. Doch obwohl Marta auf ihrer Malga Pian Levina eine "One-Woman-Show" betreibt ist sie nicht alleine: Sie hat Helfer gefunden, die ihr bei der Käserei und im Stall zu Hand gehen.
Der Käse braucht viel Aufmerksamkeit bis zur Reifung
Ich frage Marta, wie sie denn von den Einheimischen aufgenommen werde und sie sagt, dass es eine Weile gedauert hätte und dass die Leute sie mittlerweile zwar akzeptieren würden, aber sie für die Leute immer eine Frau bleiben würde, die eben im Wald wohne - eine Foresta - die ein bisschen komisch sei. Das liege natürlich auch daran, dass sie nicht von hier stamme und dass sie sich außerhalb der klassischen Geschlechterrollen bewege - als Bäuerin, Ingenieurin und Unternehmerin behaupte sie sich in einer klassischen Männerdomäne, deren Urheber schon immer sehr einfallsreich waren, Frauen auszuschließen. So erzählt sie mir, dass es früher Frauen zum Beispiel schon allein wegen ihrer Menstruationsphasen nicht gestattet war, die Tiere zu melken, angeblich weil das die Qualität des Käses beeinflussen würde. Aber auf der anderen Seite erlebe sie gerade unter den einheimischen Frauen eine große Solidarität und vielleicht liegt es auch daran, dass die Traditionen durch die wirtschaftliche Geschichte der Region nur noch als vermeintliche Schatten in der Erinnerung der Menschen verblieben sind und deshalb mehr Raum für neue Lebensentwürfe entstanden ist.
Marta vor ihrer Scheune
In Martas Trattoria ist es sehr gemütlich, gerade sind Liliana und ihr Mann zu Besuch. Liliana ist die Tochter eines Eismachers und in Münster geboren. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann wieder in Fornesighe und hat sich mit Marta angefreundet. Lilianas Mann stammt ursprünglich aus Venedig und arbeitet sechs Monate im Jahr als Kapitän auf einem Frachtschiff und überquert alle Weltmeere. Wenn er nach Hause kommt geht er gerne Bergsteigen.
In Martas gemütlicher Stube
Marte geht in die Küche und bereitet uns geschwind eine leckere Käseplatte zu, dazu gibt es Prosecco und einen Brotteller, mit verschiedenen Brotsorten, die sie von einem befreundeten Bäcker extra für ihre Trattoria herstellen lässt.
Qualität auf den Tisch gebracht
Der Tisch ist reich gedeckt, was wir nicht schaffen packt uns Marta ein und ich werde mich später bei einer Wanderung mit großem Genuss und einer noch größeren Wertschätzung darüber hermachen. Aber jetzt geht es für mich weiter Richtung Cibiana. Ich möchte dort die Bürgermeisterin treffen, die mir einiges über ihr Dorf erzählen wird, das schon wegen seiner Murales bekannt ist. Auf dem Weg dorthin fahre ich an dem Monte Rite vorbei. Direkt gegenüber dem Rifugio Remauro befindet sich der Aufstieg auf den 2183 Meter hohen Gipfel, den man entweder in etwa zwei Stunden per pedes erreichen kann, oder man gönnt sich eine zwanzig minütige Fahrt mit einem Shuttle-Bus. Auf dem Gipfel befindet sich die Fortezza Cadore-Maè - eine Festung aus dem 1. Weltkrieg, die komplett renoviert wurde und mit dem "Museum in den Wolken" das erste von inzwischen sechs Messner Museen beherbergt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Noch ein letzter Blick von der Malga Pian de Levina auf das Bergpanorama - mit Wolken

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Pian Levina in Google Maps und noch mehr Fotos


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